Reisebericht 1,3 Gramm Kubanischer Kahlkopf, getrocknet (Psylocibe Cubensis)

Ein waiser Mensch hat mal gesagt, es gibt nichts langweiligeres als die Träume anderer Leute. Und wer schonmal einen Bericht über psychedelische Erfahrungen gelesen hat weiß, dass sie eine Tendenz haben ähnlich persönlich, pathetisch und uninteressant für die Allgemeinheit zu sein. Voll von halb erklärtem Trauma, unverständlichen Wünschen und fantastisch farbenfrohen Metaphern und Vergleichen, welche die Realität eines psychoaktiven Erlebnisses in etwa so gut vermitteln können wie ein romantisches Sonett die Biologie der menschlichen Fortpflanzung.

Ich versuche also, worin ich vermutlich scheitern werde: Eine höchst subjektive und irrationale Erfahrung objektiv, rational und informativ zu machen. Nicht nur für Leute die meine Lebenserfahrungen oder Weltbilder teilen, und idealerweise auch verständlich für jemanden der bisher wenig Erfahrungen mit Substanzen der nicht legalen Sphäre hat.

Wuenschen sie mir Glueck.

Der Tag vorher:

Freitag Abend kam ich gegen Null Uhr von der Arbeit nach Hause. Es war sogenannte Endprobenwoche im Theater und nach der Generalprobe hatte ich wieder nur einen freien Tag vor der Premiere am Sonntag.

Daher freute ich mich sehr über eine Nachricht von meinem Freund Erik und die Frage ob wir am kommenden Morgen einen Ausflug in den Wald machen wollten. Wir waren vor kurzem in den Besitz einer kleinen Ernte Psylocibin haltiger Pilze gekommen und der vollkommene Themenwechsel eines Trips im Wald kam mir grade genau richtig.

Samstag:

Nachdem ich einmal um 8 aufgewacht war und mich nochmal etwas zerknautscht auf die Seite gepackt hatte weckte mich Erik mit seinem Anruf gegen 11. Ich fühlte mich zwar etwas verklatscht, stand aber trotzdem 2 Stunden später mit meinem Kaffee und einem Brötchen bei ihm auf der Matte.

Es war einer dieser Spätnovember Tage an dem man sich ständig aus seinen diversen Kleidungsschichten entblättert um sich dann gleich darauf verschwitzt wieder Pullover und Jacken überzuwerfen. Ich war ehrlich gesagt schon etwas erschöpft als wir bei Erik Richtung Forst loszogen.

Da es etwa eine habe Stunde Fußweg sein würde wogen wir uns schon jeweils ungefaehr 1,3 Gramm getrocknete Pilze im Hausflur ab und spülten sie mit etwas Wasser und Limo herunter.

Auch wenn die etwa sechs kleinen Pilze in meiner Hand um einiges mehr kauen bedurften als mein erstes Experiment mit einem halben Gramm, fand ich den Geschmack immer noch nicht so unangenehm wie oft beschrieben. Ein erdig, holziger, leicht bitterer Geschmack.

Als ich nach etwa 20 Minuten immer noch leicht unter meiner Winterjacke schwitze, schlug ich vor einen kleinen Zwischenstopp bei meiner Wohnung zu machen sodass ich mir einen etwas dünneren Pullover und ein neues T-Shirt anziehen konnte. Aber kurz vor meiner Straße machten sich die ersten Effekte deutlich merkbar.

Die feinsäuberlich parallel gepflasterten Steine der See Promenade schienen etwas weniger statisch als gewöhnlich und die kleinen Wellen die der Wind aufs Wasser formte kamen mir kleiner und detaillierter als sonst vor. Ich fing auch an ein winziges bisschen zu schwanken.

Nur wenige Minuten von meiner Haustür entfernt hatten sich die Effekte zu einem vollen Trunkenheitsgefühl a la 5 Bier und 3 Schnaps eingestellt (Aber ich habe seit ich etwa 17 war nicht mehr ernstzunehmende Mengen Alkohol getrunken, deswegen hinkt der Vergleich vermutlich etwas).

Jedenfalls waren die 10 Minuten in meiner etwas dunklen Wohnung wahrscheinlich die unangenehmsten der gesamten Erfahrung. Ich hatte Schwindelgefühl und ein etwas flaues Gefühl im Magen.

Vielleicht weil wir gerade noch draußen waren? Jedenfalls kommt mir die Luft, das Licht, vielleicht das unaufgeräumt Zimmer, voll von unnatürlich Dingen an sich, äußerst bedrückend vor und ich möchte dringend wieder unter freien Himmel.

(Note to myself: Eventuell nächstes Mal auch mehr als ein Apfelteilchen und einen halben Eiskaffee frühstücken. Ausserdem eine Idee: Vorher alles loswerden was man nicht wirklich braucht, so kann man die eventuelle anfaengliche Unsicherheit mit Gehen und dem regelmaessigem Atmen frischer Luft viel leichter beseitigen als von sechs Seiten begrenzt, in einem der engen, dunklen, stillen, elektrischen, seelenlosen Gebaeude die unsere Generation ihr zu Hause nennen muss).

Ich ließ jedenfalls meinen Rucksack und nahezu alles außer Schlüssel und Handy in meiner Wohnung und wir machten uns auf durch das kleines Industriegebiet und eine Bungalowsiedlung, runter zum großen See Richtung Stadtgrenze. Nach wenigen Minuten verschwanden die letzten Reste Unwohlsein und fröhlich auf und ab wippend marschierten wir langsam immer weiter weg von Menschen und Häusern.

Langsam ließ auch das schummrige Gefühl in der Magengegend nach und bald stapften wir eine Böschung hinauf weg von der Straße in einen der vielen Schweriner Wälder.

Genau dort machte sich auch der erste positive Effekt bemerkbar. Wie als ob wir eine unsichtbare Wand durchquert hätte, wurde es quasi schlagartig ruhig. Ich glaube ich drehte mich sogar um, um mich zu vergewissern dass noch Autos auf der Straße fuhren. Die Autos waren noch da. Aber sobald der Wald vor uns lag und meine Schuhe vom Asphalt auf den Laub bedeckten Boden gewechselt waren schien der Lärm ganz plötzlich in weiter Ferne.

Und zwei Meter weiter rechts vom Weg, nicht fünf Schritte die Böschung hinauf lag wie ein Sinnbild für 26 Jahre hysterische anti-Drogen Propaganda, ein Wildschwein.

Das Fell nach unten, die blaue Haut blank zersetzt von was auch immer für Organismen, nach oben ausgestülpt. Während eine wie kindliche Faszination mich ganz natürlich zu dem unwirklich intensiv blauen Knäuel und aufgedunsenem Kopf, hinzieht, sagt eine zweite Stimme:

„High auf Shrooms und Konfrontiert mit dem Tod? Du weißt was der gesellschaftliche Leitfaden sagt, du weißt was die BzgA sagt, du weißt genau was deine Krankenkasse sagen würde. „Das muss doch sicher ein Horror Trip werden. Bewusstseinserweiternde Substanzen und ein so verstörend Thema wie die eigene Sterblichkeit. Wie könnte ein so fragiler Apparat wie die menschliche Psyche darunter nicht zusammenbrechen?“

Wahrscheinlich sollten wir uns glücklich schätzen, dass keiner dieser fragilen Geister, die besagte psychoaktive Stoffe während der letzten 300.000 Jahre entdeckt, isoliert, studiert, Synthetisiert, kategorisiert, erklärt, weiterentwickelt oder schlicht und einfach erfunden haben, jemals besagte Stoffe an sich selbst getestet haben. Wer weiß wie viel Wissen hätte verloren gehen können…

Haha

Nichtsdestotrotz bin ich vollkommen zufrieden. Die Ruhe des Herbstwaldes hat genau die richtige Frequenz, gedämpft umschließen, wie ein flauschiger Ohrensessel.

Der unter den Stiefeln leicht nachgebende, mulchige Blätterboden erstreckt sich genau richtig, unendlich in alle Richtungen aus. Wie ein einladender Teppich.

Das Wildschwein, oder was davon noch übrig ist, liegt dort, zwei Meter rechts vom Weg, keine fünf Schritte die Böschung hinauf, genau richtig.

Jetzt war die Zeit zum Tod-Sein für dieses Schwein und Zeit zum Am-Leben-Sein für mich. An einem anderen Punkt in der vierten Dimension sind die Rollen vielleicht andersherum. Was wiederum auch überhaupt nichts für irgendwen ändert.

Davon denke ich im Moment allerdings nichts. Eigentlich denke ich überhaupt nicht besonders viel. Die scheinbar aus der Luft emmanierende, summende Glückseligkeit lässt so etwas wie analytisches Denken über das Denken, über das Fühlen, fast schon blasphemisch erscheinen.

Aus irgendeinem Grund bestand Erik darauf “zum Wasser” zu gehen. Als relativer Neuling in dieser relativ fremden Stadt und darin in diesem absolut fremden Wald, wusste ich nicht wo oder was das genau zu bedeuten hatte, stellte aber auch keine Fragen. ich weiss nur dass das fortlaufende gehen extrem angenehm war. Die Haende in den Taschen meines leichten Wollanoraks vergraben schienen mir Temperatur, Kleidung, Koerperfeuchtigkeit, Hautirritation, oder deren Abwesenheit, selten angenehm. Ich hatte das Gefuel genau dort zu sein wo ich sein sollte. Ich machte mir keine Sorgen dass dieses Gefuehl zu lange anhalten oder zu frueh vorbei sein koennte. Ich wusste dass wir auf einem guten Weg waren und gut zurueck kommen wuerden. Auch beunruhigten mich die wenigen anderen Menschen die wir auf dem Weg trafen nicht im geringsten. Manche mit Hund unterwegs, so wie wir, mache in kleinen Gruppen beim Familienspaziergang. Alle schienen hoeflich, freundlich, sich vielleicht unserer groesseren Pupillen bewusst, vielleicht nicht. Aber wie viel kann man wirklich aus dem Gesicht von Fremden lesen, in den wenigen Sekunden die sie brauchen um an einem vorbei zu gehen.

 

Der Tag danach:

Wie bei Träumen auch ist es gerade bei Erfahrungen die sich einzig und allein in der Innenwelt abspielen wichtig seine Gedanken schnell zu protokollieren. Jetzt sitze ich allerdings in einem Tattoostudio in Seoul, Sued Korea, und warte darauf ein Bild mit eben jenem kubanischen Fungus auf mir zu verewigen, fast ein halbes Jahr und diverse Pilz „Mahlzeiten“ spaeter, wenn ich endlich dazu komme diesen Bericht in seine endgültige Form zu pressen.

Lesen Sie folgendes also mit dem sprichwörtlichen Salzkorn, wie der Anglikaner sagt, also mit einem etwas kritischen Blick.

Soweit ich mich erinnere waren die Effekte am Sonntag denkbar gering bis nicht vorhanden. Wie bereits erwähnt hatten meine kleinen Freunde eine gehörige Auswirkung auf mein Zeitempfinden und obwohl es beim Ausklingen der Effekte am Abend so schien als wären vielleicht 10 Stunden vergangen, waren es nur knapp 6 und so blieb mir also noch mehr als genug Zeit den Abend in aller Entspanntheit ausklingen zu lassen. Ich ging meinen Gedanken nach und hatte kein Bedürfnis auf die übliche Beschallung. Ich glaube mein Handy blieb sogar den ganzen Abend vollkommen unbeachtet.

Da ich am Sonntag erst Nachmittags wieder ins Theater musste konnte ich so lange schlafen wie mir die Lust stand ohne einen Wecker stellen zu müssen.

 

Resümee:

Wie fuer die meisten Rauscherlebnisse ratsam habe ich mich bei Dosierung, bzw. Potenz an einer Mischung aus Empfehlung meines erfahreneren Freundes und eigener Recherche orientiert.

1,3 Gramm getrocknete Pilze der gelaeufigsten Gattung Psylocibe Cubensis (Deutscher Trivialname Kubanischer Kahlkopf) wurden mir als „echter Trip“ beschrieben, also nicht das gemuetliche Hintergrundsummen einer Microdose (unter 0,3 Gramm, bei meiner Toleranz eher unter 0,5 Gramm. Aber dazu gleich mehr).

Diese Einschaetzung fand ich dann online auch in diversen Foren und Grafiken bestaetigt, wobei die Dosis von 1,2 Gramm Trockenprodukt dann doch eher am unteren Ende der Skala des Moeglichen zu liegen schien. Mit der vollen Entfaltung der moeglichen Effekte erst ab 3, laut manchen  psychedelischen Feinschmeckern sogar erst am 5 Gramm.

Auf dem Papier also alles im besten Bereich. „Richtige“ Effekte waren zu erwarten, aber ein Ego-aufloesender Besuch der Bewohner von fremden Planeten wuerde wohl erstmal ausbleiben.

In einer der Tabellen wurden 1,2 Gramm sogar tatsaechlich als Beginners Heaven bezeichnet, was das Ganze meiner eigenen Erfahrung nach so ziemliche ins Schwarze trifft.

Zur Potenz sei angemerkt, dass wie bei allen Drogen aus unserer natuerlichen Umwelt, eine Menge Faktoren wie das Substrat auf dem die Pize angebaut werden, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und besonders Erntezeitpunkt grosse Auswirkung auf die Potenz des Endprodukts haben. Da es sich in diesem Fall um Pilze aus einer Growbox handelte hatte Erik keinen Einfluss auf das Substrat, allerdings auf den Erntzeitpunkt, fuer den er aus Erfahrung fuer die groesstmoegliche Potenz den Moment kurz nach der Oeffnung des Schirms waehlte. Ab diesem Moment beginnt der Organismus naemlich seine Energie statt in die Produktion des bewusstseinserweiternden Psylocibins, in die Produktion seiner Sporen zur Fortpflanzung zu investieren. Ergebnis: Der Psylocibingehalt sinkt.

Eine Beobachtung die ich nach mehreren Experimenten mit den Fruechten einer anderen Ernte voll bestaetigen kann. Diese andere Pilzkolonie wurde zur Anfertigung von Sporenabdruecken zur Zucht eines neuen Mycels auf Agar Naehrboden zur vollen Schirmoeffnung wachsen gelassen. Der Effekt: Volle 2 Gramm (!) getrocknetes Produkt hatten einen aehnlichen Effekt wie nur 0,5 Gramm der „starken“, ersten Ernte.

Die Lehre daraus ist also vielleicht, genau hinzusehen bevor etwas bekannt aussehendes mit Erinnerung an vergangene Erfahrungen konsumiert wird. Kleine Unterschiede haben grosse Auswirkungen. Und falsche Sicherheit durch einen Trip mit einer besonders schwachen Auslese kann der Start in ein unerwartet grosses Abenteuer sein.

Ein positiver Effekt dem ich bei dieser 1,2 bis 1,3 Gramm Erfahrung vielleicht verständlicherweise nicht besonders Beachtung geschenkt habe ist die Verdrängung von Müdigkeit. Nun könnte man diese Eigenart natürlich leicht auf Aufregung schieben, allerdings habe ich diesen Effekt wieder und wieder bestätigt gefunden. Auch bei wesentlich kleineren Mengen, sogar unter der Grenze des eigentlich Wahrnehmbaren (sogenanntem microdosing). Ein Effekt den ich mir mittlerweile häufiger zu Nutzen mache, da mir seit einiger Zeit die Effekte von Kaffe auf Konzentration, Schlaf und Verdauung nicht mehr so richtig gefallen.

 

 

Lass das Kind in dir Leben – 2021 war WYLD

Es ist 7:00 Uhr morgens am 30. dezember 2021, dem letzten „richtigen“ Tag im Jahr. Ein merkwürdiges Gefühl hat mich überkommen diesen Text hier zu schreiben, was es wird weiß ich selbst noch nicht. Aber die Glückseeligkeit und Freude ist groß. Auf Alles, das Leben, die Natur, die Menschen und was noch alles kommen mag.

Der frisch gebrühte Kaffee wärmt mir die Pfoten und die Welt schläft noch. Bin heute um 4:45 aufgestanden, ungewöhnlich früh für mich und wahrscheinlich die meisten unter uns. Papa fliegt mit seiner Frau heute in den Urlaub und so habe ich die zwei natürlich hingefahren. Eine Woche bei 25 Grad Celsius in Spanien ist schon ganz passabel, aber hey, bei uns sind es gerade auch muckelige 15 Grad. Nicht schlecht, Herr Specht.

Jetzt sitz ich hier an meinem gewohnten Platz, vor dem Rechner, und denke über das Jahr 2021 nach. Vieles hat sich verändert. Die Welt, natürlich, ist beschäftigt mit Covid. Immer wieder hört man nur noch Covid hier, Impfung da und der Social Credit Score gesellt sich auch langsam dazu. Ja tatsächlich, in Europa, UK um genauer zu sein. Da wird Anfang des Jahres 2022 darüber entschieden. Ging ziemlich schnell in meinen Augen, hätte eher mit 3-5 Jahren nach Pandemiebeginn damit gerechnet. Doch wie Orwell und Solschenizyn schon schrieben, es kommt schnell und schleichend, oder auch mit Gewalt aber das ist ja gerechtfertigt und deshalb okay.

Wie so oft bin ich positiv gestimmt, auf das was war und kommt. Aber dieses ungemütliches Gefühl im Magen, dass ein großer Haufen Scheiße auf uns zukommt, das will nicht vergehen. Es wundert mich wie blind viele meiner Freunde sind. Die geben da wirklich absolut keinen Fick drauf, nehmen es nicht wahr. „Sollen die doch meine Daten haben, dafür ist es kostenlos“, „Ach, ich habe doch eh nichts nichts zu verstecken“, „Wen interessiert das schon, wir können ja sowieso nichts ändern“. Solche oder ähnliche Sätze höre ich zu hauf, wenn ich meine Sorge bezüglich der politischen Entwicklung äußere. Vielleicht haben die recht, vielleicht nicht. Enthüllungen wie die von Snowden, Assange und vielen mehr sprechen aber mehr für meine Seite. Die Demokratie, oder besser unsere aller Freiheit, ist bedroht, ständig, war sie immer.

Aktuell geht es noch, die Welt ist nicht unter gegangen im Westen. Aber es sollte jedem bewusst sein, dass der status quo nicht auf ewig hält, besonders nicht wenn man seine Mündigkeit einem anderen Menschen, Politiker, überträgt. Die Realität ist, wir sind alle hungrig nach Macht und niemand will gewonnene Macht wieder abgeben. Diese Tatsache an sich ist auch nicht inhärent schlecht oder böse. Es ist viel mehr so, dass man damit aufmerksam sein muss. So ähnlich wie bei dem Überqueren einer Straße. Natürlich, es gibt Gesetze und Regeln die es theoretisch unmöglich machen überfahren zu werden. Aber trotzdem schaut man immer selbst noch mal auf die Straße und vergewissert sich, dass man auch sicher ist. Wir vertrauen nicht blind, weil wir wissen wie wir selbst sind. Wir bringen es unseren Kindern schon im jüngsten Alter bei. Wenn man es bei solch einer trivialen Sache schon macht, wieso dann nicht erst recht bei den wichtigen Entscheidungen?

Mit meinen jetzt fast 28 Jahren war das Jahr 2021 aufregend. Wie jedes Jahr, haben sich viele meiner Einstellungen und Position dramatisch verändert. Die wahrscheinlich größte Änderung war: lass das Kind in dir leben.

Über die Jahre hinweg, als ich Erwachsen wurde, habe ich mich stark, wirklich stark, angepasst und verbogen. Es ist nicht so, dass ich kein sozialer Mensch bin oder „komisch“ aber einfach anders, zumindest in meinen Augen. Wahrscheinlich ist jeder anders. Das macht auch die Schönheit des Menschen aus. Aber ich dachte, dass „die Erwachsenen“ da schon den Plan haben und es sinnvoll ist, sich was von ihnen abzugucken. Haben sie nicht. Mittlerweile weiß ich das.

Also lass ich den kleinen Jungen wieder raus. Dieser Junge, der voller Neugierde ständig nachfragt, irgendwas anfasst und herumprobiert. Dieser Junge, der einfach Lacht, der sich so sehr freut, dass ihm die Wangen weh tun. Dieser Junge, der zuhört, nachdenkt und antwortet was ER als richtig ansieht, auch wenn es provokativ ist. Dieser Junge, der einfach den Moment genießt und völlig sprachlos ist über dessen Schönheit.

Das Alles habe ich zum Teil auch heute noch aber es ist so viel schwächer geworden. Es war schwächer. Seit ich verstanden habe, dass keiner so richtig einen Fick auf mich gibt, enge Freunde und Familie ausgenommen, bin ich einfach frei. Was ist schlimm daran, dir kontra zu geben? Was ist schlimm daran, sich einfach lauthals zu freuen? Was ist schlimm daran, einfach ruhig zu sein und zu genießen? Ständig, „soll“ man die Meinung der Gruppe vertreten um dazuzugehören. Ständig, gibt jemand wieder ungefragt seinen Senf dazu. Ständig, muss immer irgendwas passieren und man hat gar keine Zeit mehr zu sein wer man ist. Das ist traurig und ich bin nicht weiter Teil davon.

Ich bin bestimmt nicht der Einzige der so fühlt und denkt. Ich bin nicht besonders. Einfach nur ein ganz klein wenig anders. So wie du. Wir Menschen sind uns sehr viel näher als fern.

Ich liebe Menschen.

Mein Drogentagebuch #1

Dieser Artikel ist nicht autobiographisch und dient ausschließlich der Unterhaltung

Kapitel 1  „Abstinenz“

Vor nun fast einem Jahr zog ich das erste Mal bei Mama aus. Das erste Mal so richtig. Ich traue mich kaum es zu sagen, aber Grund dafür war wie so vieles im letzten Jahr das große, das böse, das nicht mehr erträgliche C-Wort.

Zu Beginn der Pandemie lebte ich noch die klischeehafte Künstler Existenz in NRW. Mit durchgemachten Nächsten voller Holz, Farben, Animation, Videoschnitt und dem täglichen Tütchen THC-haltiger Naturheilmischung.
(Na gut, vielleicht eher zwei Tüten.)

Ich war nicht immer Cannabis Freund. Wer mich aus Schulzeiten kennt hat mich vermutlich sogar als ziemlichen Langweiler bezüglich aller Substanzen, egal ob legal oder illegal, in Erinnerung. Ich mochte nie Alkohol, mag es noch heute nicht. Die Kiffer waren einfach nicht meine Gang, weshalb ich auch niemals gewusst hätte wie ich an Gras kommen soll (Bis heute ein Problem). Und meine fragwürdige Entdeckung von Koffein sollte noch bis zum 17. vielleicht sogar 18. Lebensjahr auf sich warten lassen.

Jetzt, mittlerweile 26, ist Cannabis ein so positiver Bestandteil meines persönlichen und insbesondere kreativen Lebens geworden, dass ich mich vorsehe trotz meiner offensichtlichen Befürwortung einer Legalisierung nicht zu einem dieser Leute zu werden, die positive Eigenschaften von psychoaktiven Substanzen in den Himmel heben und währenddessen alle Berichte und Erfahrungen, die keine Lobgesänge sind, unter den Teppich kehren.

Meine Meinung zum Thema ist und war schon immer folgende. Ein mögliches Risiko, nicht nur von Drogen, sondern von allen Dingen die wir als mündige Menschen tun, sollte nicht der ausschlaggebende Faktor für deren Legalität sein. In einer freien Gesellschaft sollten Erwachsene die Möglichkeit haben sich zu gefährlichen Dingen zu entscheiden, solange sie damit niemand anderem schaden. So wie wir es im Moment bereits für eine Vielzahl von Substanzen und Aktivitäten handhaben.

In den letzten Jahren habe ich viel über eine längere Pause vom „Devil’s Lettuce“ nachgedacht, besonders in Anbetracht vermehrt aufkommender Bedenken vom Einfluss regelmäßigen THC Konsums auf Schlaf, insbesondere Länge und Qualität der REM Zyklen, sowie psychische Gewohnheitsbildung.

Mittlerweile ist zwar weitestgehend bekannt, dass Cannabis nicht physisch abhängig macht. Wie viele Langzeit „Raucher“ aber zugeben werden, kann der Feierabend Joint (persönlich gern vor einem gutem Essen), vielleicht in Kombination mit der aktuellen Lieblings Serie, allerdings auch schnell zu einem angenehmen, kleinen Laster werden.

Besonders da ich bereits seit längerem traumlos schlafe, eine Eigenart die ich sehr bedaure, und es anekdotenhafte Hinweise gibt, dass regelmäßiger Gras Konsum, ähnlich wie das von Alkoholabhängigen bekannte Delirium, in Zusammenhang mit unterdrücktem REM Schlaf (Der Teil vom Schlaf mit den Träumen) stehen könnte, fasste ich den Entschluss, die Lunte zur Seite zu legen und den Selbstversuch zu wagen.

Als mein Vorrat aufgebraucht war besorgte ich keinen Nachschub und rauchte nicht für eine Woche. Die große Erkenntnis blieb aus. Also verlängerte ich auf eine zweite Woche. Zu wissen dass dies in meiner Möglichkeit steht. All das Gerede darüber dass ich kein Junkie bin tatsächlich bestätigt zu sehen. Fantastisch. Ich habe es also in mir. Der Wille ist stark.

Nun habe ich aber trotzdem noch nicht geträumt und um ehrlich zu sein, nicht zu rauchen wenn man nichts zu rauchen hat, ist eine Sache. Willensstärke aber ist, wie manch Philosoph bereits angemerkt hat nicht garkeine Chips zu essen, sondern einen zu essen und dann aufzuhören!

Nun gut. Lange dauerte es nicht, bis mir ein Freund eine gute, alte Jazz Zigarette unter die Nase hielt. Und so war das kurze Experiment beendet. Ergebnis: Positiv Unklar.
Den Fakt, dass sich die ersten Zeichen von THC-„Nüchternheit“ auch erst frühestens zwei Wochen nach deren Beginn einstellen sollen, ließ ich dabei mal getrost außer Acht. (Soviel zum Thema Gewohnheitsbildung)

Als ich dann aber im Juni 2020 wegen Corona bedingten Sorgen um Zukunft und Lebensunterhalt einen Job an einem Norddeutschen Theater annahm fand ich mich plötzlich in einer kleinen Stadt wieder, in der ich Niemanden kenne, außer einer Hand voll Kollegen. Keine Freunde, keine Familie, definitiv keinen Dealer. Und denkbar schlechte Bedingungen um neue Menschen kennenzulernen (Ausgangssperre seit zwei Wochen in Kraft). Perfekte Bedingungen also für Runde zwei des Selbstversuchs.

Gut, dass ich zu Beginn nicht wusste wie lange er dauern sollte.

Im nächsten Post geht’s weiter.