Reisebericht 1,3 Gramm Kubanischer Kahlkopf, getrocknet (Psylocibe Cubensis)

Ein waiser Mensch hat mal gesagt, es gibt nichts langweiligeres als die Träume anderer Leute. Und wer schonmal einen Bericht über psychedelische Erfahrungen gelesen hat weiß, dass sie eine Tendenz haben ähnlich persönlich, pathetisch und uninteressant für die Allgemeinheit zu sein. Voll von halb erklärtem Trauma, unverständlichen Wünschen und fantastisch farbenfrohen Metaphern und Vergleichen, welche die Realität eines psychoaktiven Erlebnisses in etwa so gut vermitteln können wie ein romantisches Sonett die Biologie der menschlichen Fortpflanzung.

Ich versuche also, worin ich vermutlich scheitern werde: Eine höchst subjektive und irrationale Erfahrung objektiv, rational und informativ zu machen. Nicht nur für Leute die meine Lebenserfahrungen oder Weltbilder teilen, und idealerweise auch verständlich für jemanden der bisher wenig Erfahrungen mit Substanzen der nicht legalen Sphäre hat.

Wuenschen sie mir Glueck.

Der Tag vorher:

Freitag Abend kam ich gegen Null Uhr von der Arbeit nach Hause. Es war sogenannte Endprobenwoche im Theater und nach der Generalprobe hatte ich wieder nur einen freien Tag vor der Premiere am Sonntag.

Daher freute ich mich sehr über eine Nachricht von meinem Freund Erik und die Frage ob wir am kommenden Morgen einen Ausflug in den Wald machen wollten. Wir waren vor kurzem in den Besitz einer kleinen Ernte Psylocibin haltiger Pilze gekommen und der vollkommene Themenwechsel eines Trips im Wald kam mir grade genau richtig.

Samstag:

Nachdem ich einmal um 8 aufgewacht war und mich nochmal etwas zerknautscht auf die Seite gepackt hatte weckte mich Erik mit seinem Anruf gegen 11. Ich fühlte mich zwar etwas verklatscht, stand aber trotzdem 2 Stunden später mit meinem Kaffee und einem Brötchen bei ihm auf der Matte.

Es war einer dieser Spätnovember Tage an dem man sich ständig aus seinen diversen Kleidungsschichten entblättert um sich dann gleich darauf verschwitzt wieder Pullover und Jacken überzuwerfen. Ich war ehrlich gesagt schon etwas erschöpft als wir bei Erik Richtung Forst loszogen.

Da es etwa eine habe Stunde Fußweg sein würde wogen wir uns schon jeweils ungefaehr 1,3 Gramm getrocknete Pilze im Hausflur ab und spülten sie mit etwas Wasser und Limo herunter.

Auch wenn die etwa sechs kleinen Pilze in meiner Hand um einiges mehr kauen bedurften als mein erstes Experiment mit einem halben Gramm, fand ich den Geschmack immer noch nicht so unangenehm wie oft beschrieben. Ein erdig, holziger, leicht bitterer Geschmack.

Als ich nach etwa 20 Minuten immer noch leicht unter meiner Winterjacke schwitze, schlug ich vor einen kleinen Zwischenstopp bei meiner Wohnung zu machen sodass ich mir einen etwas dünneren Pullover und ein neues T-Shirt anziehen konnte. Aber kurz vor meiner Straße machten sich die ersten Effekte deutlich merkbar.

Die feinsäuberlich parallel gepflasterten Steine der See Promenade schienen etwas weniger statisch als gewöhnlich und die kleinen Wellen die der Wind aufs Wasser formte kamen mir kleiner und detaillierter als sonst vor. Ich fing auch an ein winziges bisschen zu schwanken.

Nur wenige Minuten von meiner Haustür entfernt hatten sich die Effekte zu einem vollen Trunkenheitsgefühl a la 5 Bier und 3 Schnaps eingestellt (Aber ich habe seit ich etwa 17 war nicht mehr ernstzunehmende Mengen Alkohol getrunken, deswegen hinkt der Vergleich vermutlich etwas).

Jedenfalls waren die 10 Minuten in meiner etwas dunklen Wohnung wahrscheinlich die unangenehmsten der gesamten Erfahrung. Ich hatte Schwindelgefühl und ein etwas flaues Gefühl im Magen.

Vielleicht weil wir gerade noch draußen waren? Jedenfalls kommt mir die Luft, das Licht, vielleicht das unaufgeräumt Zimmer, voll von unnatürlich Dingen an sich, äußerst bedrückend vor und ich möchte dringend wieder unter freien Himmel.

(Note to myself: Eventuell nächstes Mal auch mehr als ein Apfelteilchen und einen halben Eiskaffee frühstücken. Ausserdem eine Idee: Vorher alles loswerden was man nicht wirklich braucht, so kann man die eventuelle anfaengliche Unsicherheit mit Gehen und dem regelmaessigem Atmen frischer Luft viel leichter beseitigen als von sechs Seiten begrenzt, in einem der engen, dunklen, stillen, elektrischen, seelenlosen Gebaeude die unsere Generation ihr zu Hause nennen muss).

Ich ließ jedenfalls meinen Rucksack und nahezu alles außer Schlüssel und Handy in meiner Wohnung und wir machten uns auf durch das kleines Industriegebiet und eine Bungalowsiedlung, runter zum großen See Richtung Stadtgrenze. Nach wenigen Minuten verschwanden die letzten Reste Unwohlsein und fröhlich auf und ab wippend marschierten wir langsam immer weiter weg von Menschen und Häusern.

Langsam ließ auch das schummrige Gefühl in der Magengegend nach und bald stapften wir eine Böschung hinauf weg von der Straße in einen der vielen Schweriner Wälder.

Genau dort machte sich auch der erste positive Effekt bemerkbar. Wie als ob wir eine unsichtbare Wand durchquert hätte, wurde es quasi schlagartig ruhig. Ich glaube ich drehte mich sogar um, um mich zu vergewissern dass noch Autos auf der Straße fuhren. Die Autos waren noch da. Aber sobald der Wald vor uns lag und meine Schuhe vom Asphalt auf den Laub bedeckten Boden gewechselt waren schien der Lärm ganz plötzlich in weiter Ferne.

Und zwei Meter weiter rechts vom Weg, nicht fünf Schritte die Böschung hinauf lag wie ein Sinnbild für 26 Jahre hysterische anti-Drogen Propaganda, ein Wildschwein.

Das Fell nach unten, die blaue Haut blank zersetzt von was auch immer für Organismen, nach oben ausgestülpt. Während eine wie kindliche Faszination mich ganz natürlich zu dem unwirklich intensiv blauen Knäuel und aufgedunsenem Kopf, hinzieht, sagt eine zweite Stimme:

„High auf Shrooms und Konfrontiert mit dem Tod? Du weißt was der gesellschaftliche Leitfaden sagt, du weißt was die BzgA sagt, du weißt genau was deine Krankenkasse sagen würde. „Das muss doch sicher ein Horror Trip werden. Bewusstseinserweiternde Substanzen und ein so verstörend Thema wie die eigene Sterblichkeit. Wie könnte ein so fragiler Apparat wie die menschliche Psyche darunter nicht zusammenbrechen?“

Wahrscheinlich sollten wir uns glücklich schätzen, dass keiner dieser fragilen Geister, die besagte psychoaktive Stoffe während der letzten 300.000 Jahre entdeckt, isoliert, studiert, Synthetisiert, kategorisiert, erklärt, weiterentwickelt oder schlicht und einfach erfunden haben, jemals besagte Stoffe an sich selbst getestet haben. Wer weiß wie viel Wissen hätte verloren gehen können…

Haha

Nichtsdestotrotz bin ich vollkommen zufrieden. Die Ruhe des Herbstwaldes hat genau die richtige Frequenz, gedämpft umschließen, wie ein flauschiger Ohrensessel.

Der unter den Stiefeln leicht nachgebende, mulchige Blätterboden erstreckt sich genau richtig, unendlich in alle Richtungen aus. Wie ein einladender Teppich.

Das Wildschwein, oder was davon noch übrig ist, liegt dort, zwei Meter rechts vom Weg, keine fünf Schritte die Böschung hinauf, genau richtig.

Jetzt war die Zeit zum Tod-Sein für dieses Schwein und Zeit zum Am-Leben-Sein für mich. An einem anderen Punkt in der vierten Dimension sind die Rollen vielleicht andersherum. Was wiederum auch überhaupt nichts für irgendwen ändert.

Davon denke ich im Moment allerdings nichts. Eigentlich denke ich überhaupt nicht besonders viel. Die scheinbar aus der Luft emmanierende, summende Glückseligkeit lässt so etwas wie analytisches Denken über das Denken, über das Fühlen, fast schon blasphemisch erscheinen.

Aus irgendeinem Grund bestand Erik darauf “zum Wasser” zu gehen. Als relativer Neuling in dieser relativ fremden Stadt und darin in diesem absolut fremden Wald, wusste ich nicht wo oder was das genau zu bedeuten hatte, stellte aber auch keine Fragen. ich weiss nur dass das fortlaufende gehen extrem angenehm war. Die Haende in den Taschen meines leichten Wollanoraks vergraben schienen mir Temperatur, Kleidung, Koerperfeuchtigkeit, Hautirritation, oder deren Abwesenheit, selten angenehm. Ich hatte das Gefuel genau dort zu sein wo ich sein sollte. Ich machte mir keine Sorgen dass dieses Gefuehl zu lange anhalten oder zu frueh vorbei sein koennte. Ich wusste dass wir auf einem guten Weg waren und gut zurueck kommen wuerden. Auch beunruhigten mich die wenigen anderen Menschen die wir auf dem Weg trafen nicht im geringsten. Manche mit Hund unterwegs, so wie wir, mache in kleinen Gruppen beim Familienspaziergang. Alle schienen hoeflich, freundlich, sich vielleicht unserer groesseren Pupillen bewusst, vielleicht nicht. Aber wie viel kann man wirklich aus dem Gesicht von Fremden lesen, in den wenigen Sekunden die sie brauchen um an einem vorbei zu gehen.

 

Der Tag danach:

Wie bei Träumen auch ist es gerade bei Erfahrungen die sich einzig und allein in der Innenwelt abspielen wichtig seine Gedanken schnell zu protokollieren. Jetzt sitze ich allerdings in einem Tattoostudio in Seoul, Sued Korea, und warte darauf ein Bild mit eben jenem kubanischen Fungus auf mir zu verewigen, fast ein halbes Jahr und diverse Pilz „Mahlzeiten“ spaeter, wenn ich endlich dazu komme diesen Bericht in seine endgültige Form zu pressen.

Lesen Sie folgendes also mit dem sprichwörtlichen Salzkorn, wie der Anglikaner sagt, also mit einem etwas kritischen Blick.

Soweit ich mich erinnere waren die Effekte am Sonntag denkbar gering bis nicht vorhanden. Wie bereits erwähnt hatten meine kleinen Freunde eine gehörige Auswirkung auf mein Zeitempfinden und obwohl es beim Ausklingen der Effekte am Abend so schien als wären vielleicht 10 Stunden vergangen, waren es nur knapp 6 und so blieb mir also noch mehr als genug Zeit den Abend in aller Entspanntheit ausklingen zu lassen. Ich ging meinen Gedanken nach und hatte kein Bedürfnis auf die übliche Beschallung. Ich glaube mein Handy blieb sogar den ganzen Abend vollkommen unbeachtet.

Da ich am Sonntag erst Nachmittags wieder ins Theater musste konnte ich so lange schlafen wie mir die Lust stand ohne einen Wecker stellen zu müssen.

 

Resümee:

Wie fuer die meisten Rauscherlebnisse ratsam habe ich mich bei Dosierung, bzw. Potenz an einer Mischung aus Empfehlung meines erfahreneren Freundes und eigener Recherche orientiert.

1,3 Gramm getrocknete Pilze der gelaeufigsten Gattung Psylocibe Cubensis (Deutscher Trivialname Kubanischer Kahlkopf) wurden mir als „echter Trip“ beschrieben, also nicht das gemuetliche Hintergrundsummen einer Microdose (unter 0,3 Gramm, bei meiner Toleranz eher unter 0,5 Gramm. Aber dazu gleich mehr).

Diese Einschaetzung fand ich dann online auch in diversen Foren und Grafiken bestaetigt, wobei die Dosis von 1,2 Gramm Trockenprodukt dann doch eher am unteren Ende der Skala des Moeglichen zu liegen schien. Mit der vollen Entfaltung der moeglichen Effekte erst ab 3, laut manchen  psychedelischen Feinschmeckern sogar erst am 5 Gramm.

Auf dem Papier also alles im besten Bereich. „Richtige“ Effekte waren zu erwarten, aber ein Ego-aufloesender Besuch der Bewohner von fremden Planeten wuerde wohl erstmal ausbleiben.

In einer der Tabellen wurden 1,2 Gramm sogar tatsaechlich als Beginners Heaven bezeichnet, was das Ganze meiner eigenen Erfahrung nach so ziemliche ins Schwarze trifft.

Zur Potenz sei angemerkt, dass wie bei allen Drogen aus unserer natuerlichen Umwelt, eine Menge Faktoren wie das Substrat auf dem die Pize angebaut werden, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und besonders Erntezeitpunkt grosse Auswirkung auf die Potenz des Endprodukts haben. Da es sich in diesem Fall um Pilze aus einer Growbox handelte hatte Erik keinen Einfluss auf das Substrat, allerdings auf den Erntzeitpunkt, fuer den er aus Erfahrung fuer die groesstmoegliche Potenz den Moment kurz nach der Oeffnung des Schirms waehlte. Ab diesem Moment beginnt der Organismus naemlich seine Energie statt in die Produktion des bewusstseinserweiternden Psylocibins, in die Produktion seiner Sporen zur Fortpflanzung zu investieren. Ergebnis: Der Psylocibingehalt sinkt.

Eine Beobachtung die ich nach mehreren Experimenten mit den Fruechten einer anderen Ernte voll bestaetigen kann. Diese andere Pilzkolonie wurde zur Anfertigung von Sporenabdruecken zur Zucht eines neuen Mycels auf Agar Naehrboden zur vollen Schirmoeffnung wachsen gelassen. Der Effekt: Volle 2 Gramm (!) getrocknetes Produkt hatten einen aehnlichen Effekt wie nur 0,5 Gramm der „starken“, ersten Ernte.

Die Lehre daraus ist also vielleicht, genau hinzusehen bevor etwas bekannt aussehendes mit Erinnerung an vergangene Erfahrungen konsumiert wird. Kleine Unterschiede haben grosse Auswirkungen. Und falsche Sicherheit durch einen Trip mit einer besonders schwachen Auslese kann der Start in ein unerwartet grosses Abenteuer sein.

Ein positiver Effekt dem ich bei dieser 1,2 bis 1,3 Gramm Erfahrung vielleicht verständlicherweise nicht besonders Beachtung geschenkt habe ist die Verdrängung von Müdigkeit. Nun könnte man diese Eigenart natürlich leicht auf Aufregung schieben, allerdings habe ich diesen Effekt wieder und wieder bestätigt gefunden. Auch bei wesentlich kleineren Mengen, sogar unter der Grenze des eigentlich Wahrnehmbaren (sogenanntem microdosing). Ein Effekt den ich mir mittlerweile häufiger zu Nutzen mache, da mir seit einiger Zeit die Effekte von Kaffe auf Konzentration, Schlaf und Verdauung nicht mehr so richtig gefallen.

 

 

Autor: Julian Davids

I'm a maker, youtuber, prop- and setdesign- motiongraphics artist and Animator. I love teaching myself new things as much as passing on the creative insights that I get access to.

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