Dieser Artikel ist nicht autobiographisch und dient ausschließlich der Unterhaltung
Kapitel 1 „Abstinenz“
Vor nun fast einem Jahr zog ich das erste Mal bei Mama aus. Das erste Mal so richtig. Ich traue mich kaum es zu sagen, aber Grund dafür war wie so vieles im letzten Jahr das große, das böse, das nicht mehr erträgliche C-Wort.
Zu Beginn der Pandemie lebte ich noch die klischeehafte Künstler Existenz in NRW. Mit durchgemachten Nächsten voller Holz, Farben, Animation, Videoschnitt und dem täglichen Tütchen THC-haltiger Naturheilmischung.
(Na gut, vielleicht eher zwei Tüten.)
Ich war nicht immer Cannabis Freund. Wer mich aus Schulzeiten kennt hat mich vermutlich sogar als ziemlichen Langweiler bezüglich aller Substanzen, egal ob legal oder illegal, in Erinnerung. Ich mochte nie Alkohol, mag es noch heute nicht. Die Kiffer waren einfach nicht meine Gang, weshalb ich auch niemals gewusst hätte wie ich an Gras kommen soll (Bis heute ein Problem). Und meine fragwürdige Entdeckung von Koffein sollte noch bis zum 17. vielleicht sogar 18. Lebensjahr auf sich warten lassen.
Jetzt, mittlerweile 26, ist Cannabis ein so positiver Bestandteil meines persönlichen und insbesondere kreativen Lebens geworden, dass ich mich vorsehe trotz meiner offensichtlichen Befürwortung einer Legalisierung nicht zu einem dieser Leute zu werden, die positive Eigenschaften von psychoaktiven Substanzen in den Himmel heben und währenddessen alle Berichte und Erfahrungen, die keine Lobgesänge sind, unter den Teppich kehren.
Meine Meinung zum Thema ist und war schon immer folgende. Ein mögliches Risiko, nicht nur von Drogen, sondern von allen Dingen die wir als mündige Menschen tun, sollte nicht der ausschlaggebende Faktor für deren Legalität sein. In einer freien Gesellschaft sollten Erwachsene die Möglichkeit haben sich zu gefährlichen Dingen zu entscheiden, solange sie damit niemand anderem schaden. So wie wir es im Moment bereits für eine Vielzahl von Substanzen und Aktivitäten handhaben.
In den letzten Jahren habe ich viel über eine längere Pause vom „Devil’s Lettuce“ nachgedacht, besonders in Anbetracht vermehrt aufkommender Bedenken vom Einfluss regelmäßigen THC Konsums auf Schlaf, insbesondere Länge und Qualität der REM Zyklen, sowie psychische Gewohnheitsbildung.
Mittlerweile ist zwar weitestgehend bekannt, dass Cannabis nicht physisch abhängig macht. Wie viele Langzeit „Raucher“ aber zugeben werden, kann der Feierabend Joint (persönlich gern vor einem gutem Essen), vielleicht in Kombination mit der aktuellen Lieblings Serie, allerdings auch schnell zu einem angenehmen, kleinen Laster werden.
Besonders da ich bereits seit längerem traumlos schlafe, eine Eigenart die ich sehr bedaure, und es anekdotenhafte Hinweise gibt, dass regelmäßiger Gras Konsum, ähnlich wie das von Alkoholabhängigen bekannte Delirium, in Zusammenhang mit unterdrücktem REM Schlaf (Der Teil vom Schlaf mit den Träumen) stehen könnte, fasste ich den Entschluss, die Lunte zur Seite zu legen und den Selbstversuch zu wagen.
Als mein Vorrat aufgebraucht war besorgte ich keinen Nachschub und rauchte nicht für eine Woche. Die große Erkenntnis blieb aus. Also verlängerte ich auf eine zweite Woche. Zu wissen dass dies in meiner Möglichkeit steht. All das Gerede darüber dass ich kein Junkie bin tatsächlich bestätigt zu sehen. Fantastisch. Ich habe es also in mir. Der Wille ist stark.
Nun habe ich aber trotzdem noch nicht geträumt und um ehrlich zu sein, nicht zu rauchen wenn man nichts zu rauchen hat, ist eine Sache. Willensstärke aber ist, wie manch Philosoph bereits angemerkt hat nicht garkeine Chips zu essen, sondern einen zu essen und dann aufzuhören!
Nun gut. Lange dauerte es nicht, bis mir ein Freund eine gute, alte Jazz Zigarette unter die Nase hielt. Und so war das kurze Experiment beendet. Ergebnis: Positiv Unklar.
Den Fakt, dass sich die ersten Zeichen von THC-„Nüchternheit“ auch erst frühestens zwei Wochen nach deren Beginn einstellen sollen, ließ ich dabei mal getrost außer Acht. (Soviel zum Thema Gewohnheitsbildung)
Als ich dann aber im Juni 2020 wegen Corona bedingten Sorgen um Zukunft und Lebensunterhalt einen Job an einem Norddeutschen Theater annahm fand ich mich plötzlich in einer kleinen Stadt wieder, in der ich Niemanden kenne, außer einer Hand voll Kollegen. Keine Freunde, keine Familie, definitiv keinen Dealer. Und denkbar schlechte Bedingungen um neue Menschen kennenzulernen (Ausgangssperre seit zwei Wochen in Kraft). Perfekte Bedingungen also für Runde zwei des Selbstversuchs.
Gut, dass ich zu Beginn nicht wusste wie lange er dauern sollte.
Im nächsten Post geht’s weiter.